Meist stehen direkte Kompositrestaurationen allein im Fokus der Betrachtung. Es gibt aber sehr viele Indikationen, in denen kleine, ergänzende Kompositversorgungen an einer Implantatkrone oder an deren Nachbarzähnen das optische Gesamterscheinungsbild deutlich verbessern können und damit zu schmückendem Beiwerk werden: Klein, aber fein! Der Fokus liegt hierbei primär auf ästhetischen Verbesserungen des Gesamterscheinungsbildes; zusätzlich führt dies zu einer optimierten Distanz zwischen dem limbus alveolaris und dem Approximalkontakt. Dies kann in Folge zu stabileren gingivalen und parodontalen Verhältnissen führen. Der folgende Beitrag will hierzu einige Fälle vorstellen. Vielleicht entstehen hieraus ja Ideen zu kleinen, ergänzenden peri- und paraprothetischen Maßnahmen bei den eigenen Patienten.
Die ästhetischen und rehabilitativen Möglichkeiten direkter Kompositrestaurationen sind hinlänglich bekannt und anerkannt [2, 4, 10, 14, 15, 18, 19]. Folgt man einigen wenigen essentiellen Grundlagen [5, 17] können daraus ästhetische, funktionelle und dauerhafte minimalinvasive Restaurationen entstehen, die den Vergleich mit Veneer-Versorgungen in der Regel standhalten können [3, 6, 12]. Bei der Behandlung approximal-cervicaler Defekte stehen zahlreiche Behandlungsoption zu Verfügung [38]. Meist konkurriert das Veneer [12, 24] mit der direkten Kompositrestauration; die Hyaluronsäureunterspritzung [38] kann zwar durchaus in dem Zusammenhang eine Erwähnung finden, baut aber auf einer gänzlich anderen Behandlungsphilosophie auf. Wer etwas Spaß an Kompositversorgungen hat, dem eröffnet die direkte adhäsive Versorgungsform eine immens breite Palette therapeutischer Möglichkeiten [28]. Für den Patienten stellt die direkte Kompositversorgung die minimalinvasivste und auch kostengünstigste Versorgung zum Schluss von schwarzen Dreiecken oder approximalzervikaler Defekte dar, wie entsprechende Fallpublikationen zeigen [13, 28]. Die „ästhetische Herausforderung“ [38] bei Anwendung direkter Kompositversorgungen besteht vorrangig in der Formgestaltung, die Farbauswahl ist hingegen denkbar einfach: Da weder großvolumige Dentin-Areale aufgebaut werden, noch transluzente Schneidekanteneffekte über Schmelzmassen dargestellt werden müssen, kann man sehr schöne ästhetische Ergebnisse mit vereinfachten Farbsystemen oder der selektiven Auswahl von bestimmten Universalfarben umfassenderer Systeme erzielen. [13, 20, 22]. Auch Farbsysteme, die nach dem Prinzip „One color fits all“ können hier deren Potential nahezu uneingeschränkt ausnutzen: Weniger ist hier in der Tat oft mehr. Die hier gezeigten Fallberichte (2x Zahn 21, 2x Zahn 12 in unterschiedlichen Ausgangskonstellationen) verdeutlichen die ästhetischen Möglichkeiten unterstützender adhäsivrestaurativer Maßnahmen bei implantologisch/parodontologischen Themen.
Bei der 49-Jahre alten Patientin wird der Zahn 11 gerade implantatprothetisch neu versorgt. Der Zahn 11 trägt eine provisorische PMMA-Krone. Der Zahn 21 wurde bereits Jahre zuvor implantatprothetisch versorgt; er trägt eine verblendete Zirkonoxidkrone. Im Rahmen der Planung der definitiven Kronenversorgung des Zahnes 11 war folgendes Problem augenscheinlich: Gestaltet man die Form der neuen Krone auf dem Implantat 11 spiegelbildlich zu der existierenden Implantatkrone in regio 21, würde ein sehr ausgeprägtes schwarzes Dreieck interradikulär entstehen. Gestaltet man hingegen die Implantatkrone 11 etwas bauchiger, würde zwar ein unilateral etwas reduziertes schwarzes Dreieck entstehen, es wäre aber eine sehr auffällige Asymmetrie der beiden Implantatkronen in Kauf zu nehmen. Eine Erneuerung der Implantatkrone 21 schied für die Patientin aus Kostengründen aus. Aus diesem Grunde wurde der Patientin vorgeschlagen, die Krone 21 in situ zu belassen, sie aber basal/zervikal durch einen zirkulären Komposit-Anbau zu verbreitern. Der Patientin gefiel der Gedanke, auf diese Weise einen ästhetischen Angleich der beiden Implantatkronen zu realisieren, ohne allzu hohe zusätzlich Kosten einkalkulieren zu müssen.
Die Abbildung 1 zeigt die klinische Situation bereits unter Isolierung des Frontzahnsegmentes von Zahn 14-24 mit Kofferdam (extra-heavy). Der extra-heavy-Kofferdam erlaubt eine sehr gute, dichte Invertierung um die Gingiva vor dem im nächsten Arbeitsschritt erforderliche Abstrahlen der Klebefläche sicherzustellen. Hinsichtlich der Vorbehandlung der verblendeten Zirkonoxidkrone war es problematisch, den Übergang zur Verblendung eindeutig zu identifizieren. Zirkonoxid wird am besten mit 50 µm Aluminiumoxid bei 1-2 bar abgestrahlt, glasbasierte Keramiken (dies wäre in diesem Falle die Verblendkeramik) am besten mit Flusssäure geätzt. [1, 8, 9, 23, 26, 29]. Eine Meta-Analyse aus dem Jahre 2015 bestätigt dies [31]. Eine intraorale Flusssäureätzung verbietet sich hier allerdings aus Sicherheitsgründen.
Da eine tribochemische Silikatisierung einerseits auf Zirkonoxid bessere Haftwerte beschert als alleiniges Abstrahlen mit Aluminiumoxid [7, 27] und andererseits auch auf glasbasierten Keramiken gerade bei der intraoralen Reparatur sehr gut funktioniert, fiel die Wahl im vorliegenden Fall auf die Vorbehandlung der gesamten Klebefläche mit CoJet (3M). Die Abbildung 2 zeigt den mit CoJet abgestrahlten basalen Anteil der Implantatkrone 21.
Zur Formgebung musste der Zervikalbereich der Krone verschalt werden. Hierzu bot sich die Unica Matrize der Fa. Polydentia an, die schon mehrfach sehr gute Dienste versah [21, 22]. Die Abbildung 3 zeigt die platzierte und mit einem lichthärtenden, gummielastischen Provisorium-Material (Clip Flow, VOCO) fixierte Matrize.
Zur weiteren Vorbehandlung der abgestrahlten Zirkonoxid. bzw. Verblendkeramikfläche bieten sich folgende vier Szenarien an:
Während die Variante 1 und 2 als gleichwertig angesehen werden können und eher persönlichen Präferenzen unterliegen (die Haftung wird in jedem Fall ausreichend sein, solange ein Silan bzw. ein MDP/ Silan-haltiger Keramikprimer vorab zur Anwendung kommt), ist von der Variante 3 abzuraten, da das einem 1K-Universaladhäsiv zugesetzte Silan im sauren Milieu des Universaladhäsivs nicht lagerstabil ist: Es zeigen entgegen den Herstelleraussagen viele, unabhängige Publikationen in Peer-reviewed Journals, dass nach Belastungsszenarien kein ausreichender Haftverbund zu geätzten Glaskeramikoberflächen mehr dokumentiert werden konnte [11, 26, 30, 33, 34, 39, 40]. Wird jedoch vorab frisch ein Silan bzw. ein Universalprimer [16, 25, 36] angewendet, funktioniert hingegen das Procedere.
Alternativ kann man auch auf Nummer sicher zu gehen und auf ein 2-Komponenten-Univeraladhäsiv (Vaiante 4) zu setzen: Hier kann das erforderliche Silan in der nicht-sauren Komponente lagerstabil integriert werden, während es in 1-Komponenten Universaladhäsiven aufgrund der den Materialien immanenten niedrigen pH-Wertes rasch zerfällt. In dem vorliegenden Fall wurde genau so vorgegangen: Im Gegensatz zu anderen, auf dem Markt befindlichen 2K-Universaladhäsiven wurde bei der Entwicklung des hier verwendeten TOKUYAMA UNIVERSAL BOND (inzwischen als überarbeitete Version TOKUYAMA UNIVERSAL BOND II auf dem Markt) vorrangig Wert auf die Qualität des adhäsiven Verbundes zu indirekten Restaurationsmaterialen gelegt. Da genau dies hier im Fokus des Anspruchs lag, kam dieses Universaladhäsiv nach dem Abstrahlen mit CoJet zur Anwendung: Die beiden Komponenten wurden vermischt, aufgetragen und sofort verblasen. Eine Einwirkzeit ist nicht erforderlich, sogar kontraproduktiv, da das Material selbsthärtend ist und eine Warte- bzw. Einwirkzeit bereits die Selbsthärtung anlaufen lassen würde, ohne dass das Lösungsmittel ausreichend evaporiert werden konnte.
Als Komposit-Material kam Ceram.X Spectra ST HV (Dentsply Sirona) in der Farbe A3 zur Anwendung. Um ein Ausfüllen der spitzen Winkel zwischen Matrize und Krone zu gewährleisten, wurde vorab dort ein Flowable (Filtek Supreme XTE Flow A3) platziert und nicht polymerisiert. Dieses Vorgehen entspricht der „Schneepflugtechnik“ bei der des Flowable in die spitzen Winkel durch den Druck eines nachfolgend eingebrachten, pastösen Kompositmaterials eingepresst wird (Abb. 4). So wird eine dichte und blasenfreie Adaptation sichergestellt. Diese Technik wurde von Opdam et al. 2003 für Klasse-I-Kavitäten beschrieben [32], im weiteren Verlauf dann von der Heidelberger Zahnerhaltungskunde für den Frontzahnbereich aufgegriffen und dort ebenso etabliert [37].
Die Abbildung 5 zeigt die ausgearbeitete (Hartmetall-Finierer H48 LQ, Komet) und polierte (Enhance und PoGo-Polierer, beide Dentsply Sirona) Restauration. Mit dieser additiven Maßnahme konnte die basale Kontur der Implantatkrone 21 an die aktuellen parodontalen Gegebenheiten angepasst werden. Das Implantat 11 trägt immer noch das PMMA-Langzeitprovisorium. Dem regulären Procedere zur implantatprothetischen Versorgung von Frontzahnimplantaten folgend, wurde das PMMA-Provisorium nach 4-6 Wochen nach dem Kompositanbau am Nachbarzahn durch eine definitive keramische Implantatkrone (verblendetes Zirkonoxid) ausgetauscht. Die Abbildung 6 zeigt die Situation nach einem Jahr, die Abbildungen 7-9 nach insgesamt 2 Jahren und die Abbildung 10 drei Jahre nach dem basalen, zirkulären Kompositanbau an der Implantatkrone 21. Auch wenn ein perfekter Match der Farben der beiden Implantatkronen nicht gelang (die Patientin fokussierte immer zu stark auf die Farbanpassung an den natürlichen Zahn 12), kann die Behandlungsmaßnahme dennoch als Erfolg gesehen werden, da durch den Kompositanbau an der existierenden Implantatkrone ein Angleich der Form beider Frontzahnkronen möglich war- ohne Asymmetrie und ohne ein zu stark ausgeprägtes schwarzes Dreieck.
Der Kompositanbau ist etwas matter geworden, eine Nachpolitur in diesem Bereich wäre jedoch jederzeit problemlos möglich.
Auch in diesem Fall stand der Zahn 21 im Fokus einer Formkorrektur mit Komposit: Der Zahn 11 der 55 Jahre alten Patientin war alio loco implantatprothetisch versorgt worden. Dort imponierte eine deutliche Gingivarezession mit Freilegung des Keramikabutments. Die Gingivarezession betraf in Folge auch den Zahn 21, der nun mesial-approximal/zervikal aufgrund der dort freiliegenden anatomischen Einziehung am Übergang zur Zahnwurzel basal zu schmal erschien.
Die Isolierung des Defektes (nach leichtem Anrauen und Anfrischen der Klebefläche mit einem Rotring-Finierdiamanten) erfolgte identisch zu Fall 1 mit der Unica-Frontzahnmatrize (Polydentia, Abb. 11); der Kompositanbau mit Optibond FL und OMNICHROMA. Da in diesem Fall die Zugänglichkeit und die Visualisierung einfacher war als in Fall 1, konnte hier auf die zusätzliche Verwendung eines Flowables verzichtet werden. Als Füllungsmaterial kam ausschließlich OMNICHROMA (Tokuyama) [17, 22] zur Anwendung. Wäre die zusätzliche Verwendung eines Flowables erwünscht, wäre hier sicherlich OMNICHROMA FLOW eine sinnvolle Ergänzung [22].
Die zusätzliche Verwendung des OMNICHROMA BLOCKERS (Tokuyama), war hier nicht erforderlich. Die Abbildung 12 zeigt die klinische Situation unmittelbar nach Ausarbeitung und Politur; die Abbildung 13 nach genau einem Jahr. Es zeigen sich gesunde gingivale Verhältnisse und ein Stop der Rezession. Der Austausch der Implantatkrone auf Zahn 11 kommt für die Patientin im Moment aus Kostengründen nicht in Frage. Die Patientin wünschte hingegen eine Korrektur der Mesialfläche des Zahnes 12 (Abb. 14). Dies geschah in identischer Herangehensweise zu Zahn 21 mit denselben Materialien.
Die Abbildungen 15 und 16 zeigen die fertige Versorgung. Es imponiert die starke Austrocknung der Zahnhartsubstanz der Zähne 13, 12 und 21 unmittelbar nach dem Behandlungsabschluss.
Der 63-Jahre alte Patient wünschte die Reduktion des schwarzen Dreiecks zwischen den Zähnen 12 und 11. Die Zähne 11 und 21 sind implantatprothetisch versorgt (Abb. 17).
Auch hier erfolgte als alleinige Präparation ein Anrauen der Klebefläche mit einer EVA-Feile (Intensiv). Zur Formgebung kam erneut die Unica-Matrize zum Einsatz (Abb. 18).
Die Versorgung selbst erfolgte mit OMNICHROMA FLOW und OMNICHROMA, als Adhäsiv kam erneut Optibond FL zur Anwendung. Die Abbildung 19 zeigt die gerade erst ausgearbeitete und polierte Restauration (H48 LQ-Hartmetall-Finierer, Enhance- und PoGo-Polierer).
Es fällt noch ein kleiner zervikaler Kompositüberschuss mesial auf, der allerdings im Nachgang noch entfernt wurde. Die Abbildungen 20 und 21 zeigen dieselbe Situation nach einem Jahr: Der Komposit-Überschuss ist entfernt, die gingivalen Verhältnisse sind gesund und das schwarze Dreieck ist zur vollsten Zufriedenheit des Patienten deutlich reduziert.
Der 38-Jahre alte Patient musste nach einem unfallbedingten Zahnverlust des Zahnes 11 an dieser Stelle implantatprothetisch versorgt werden. Zur finalen Ausformung der Gingiva wurde zunächst wie in Fall 1 ein PMMA-Langzeitprovisorium eingesetzt; die definitive Kronenversorgung mit einer verblendeten Zirkonoxidkrone erfolgt erst in 4-6 Wochen später. So ergeben sich stabile Langzeitergebnisse bei der roten Ästhetik an Implantaten.
In dieser Ausformungsphase fiel der Defekt und die mesiale Einziehung an dem der Implantatkrone benachbarten Zahn 12 auf (Abb. 22). Auch hier wurde der Patient in Richtung eines kleinen additiven Kompositanbaus beraten.
Die Umsetzung erfolgte äquivalent zu den drei im Vorfeld beschriebenen Fälle. Die Abbildung 23 zeigt die mit Clip Flow fixierte Unica-Matrize. Zur Abwechslung kam als Restaurationsmaterial hier mal Filtek Universal in der Farbe A1 zur Anwendung. Als Flowable im Rahmen der Schneepflugtechnik diesmal Clearfil Majesty ES Flow low in der Farbe A1. Das Adhäsiv war erneut das Optibond FL. Die Abbildung 24 zeigt die fertige Versorgung unmittelbar nach Ausarbeitung und Politur.
Durch kleine, minimalinvasive Kompositanbauten kann die Form eines Schneidezahnes signifikant verbessert werden. Gerade neben Implantatkronen ist dies oftmals essentiell, da es nicht selten im Rahmen des Zahnverlustes zu deutlichen gingivalen Rezessionen an den Nachbarzähnen kommt, die diese „im freien stehen lassen“.
Das optische Manko für den Patienten zeigt sich dann häufig in mehr oder weniger ausgeprägten schwarzen Dreiecken. Als Behandlungsalternative mag die zeitgleiche Veneerversorgung mit der definitiven Kronenversorgung des Implantatzahnes anzudenken sein. Dieses Versorgungsalternative stellt jedoch eine deutlich kostenträchtigere Variante dar, deren funktioneller Mehrwert nur bedingt die Mehrkosten rechtfertigt. Demnach stellen direkte Kompositanbauten die effizienteste und zugleich eine ästhetische Versorgungsalternative dar. Die Anbauten wurden als F3-MKV-Restaurationen mit einem an den Aufwand angepassten Steigerungssatz abgerechnet.
Hinsichtlich der Materialauswahl der Versorgungen bleibt es hier in der persönlichen Präferenz des einzelnen Behandlers, welches Adhäsiv, welches Flowable und welches Komposit er/sie verwendet. Auch die Herstellerübergreifende Materialauswahl ist kein Problem [35].
Interessant ist, dass bei den gegebenen Indikationen die Universalfarbe OMNICHROMA identisch schöne Resultate ergibt wie die Einzelfarben etablierter und bekannter Farbsysteme, wie die in Fall 1 vorgestellte Ceram.X Spectra ST in der Farbe A3 und aus Fall 4 mit der Farbe A1 des Filtek Universal Portfolios. In den vorgestellten Indikationen ist der Verzicht auf die erforderliche Farbbestimmung ein signifikanter Vorteil, der Zeit spart und Anwendungssicherheit gibt.
Literaturliste auf Anfrage.
Autor:
Prof. Dr. Claus-Peter Ernst
Professor, Poliklinik für Zahnerhaltungskunde, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Zahnärztliche Praxisklinik medi+
Haifa-Allee 20
55128 Mainz
Tel.: 06131 4908080
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