Zahnhalsdefekte sind ein häufiges Phänomen, welches in allen Altersgruppen auftreten kann (Penoni et al. 2021). Dabei sind Einflussfaktoren wie Geschlecht, Alter, Zahnputzverhalten, Säurekonsum im Rahmen der Ernährung sowie die Anzahl an verbliebenen natürlichen Zähnen wichtige modulierende Faktoren (Penoni et al. 2021). In der Altersgruppe der 15-39-jährigen Patienten steigt das Risiko, einen nichtkariösen zervikalen Substanzdefekt (non-carious cervical celsions, NCCL) zu erleiden, bei Zufuhr von Säure um den Faktor 2,29 (Penoni et al. 2021). Des Weiteren begünstigt die Verwendung von harten Zahnbürsten die Entstehung von NCCLs (Sadaf & Ahmad 2014). Insgesamt wird die gewichtete Prävalenz von NCCLs in einer systematischen Übersichtsarbeit mit 46,7% angegeben, wobei sie in der Altersgruppe ab 30 Jahren höher war als bei den unter 30-Jährigen (53 vs. 43%, Teixeira et al. 2020).
Besteht die Indikation für eine Versorgung eines solchen Defektes, so können Kompositmaterialien unter Beachtung der Regeln der Adhäsivtechnik zum Einsatz kommen. Die Erfolgsrate solcher Restaurationen variiert je nach Studie deutlich. Beim Vergleich der Anwendung der Etch & Rinse- mit der Self Etch-Technik konnte nach 6 Jahren eine Retentionsrate von 92,9 bzw. 88,9% festgestellt werden, wobei sich beide Gruppen nicht voneinander unterschieden (Peumans et al. 2021). Dieselbe Arbeitsgruppe konnte im Rahmen einer weiteren Studie Retentionsraten von 89.7% nach 9 Jahren intraoraler Verweildauer messen (Peumans et al. 2018). Neben kompletten Retentionsverlust führen auch Frakturen und Diskolorationen zum Versagen von Kompositrestaurationen in NCCLs (Peumans et al. 2018 und 2021). Im Jahr 2019 wurde das Material OMNICHROMA (TOKUYAMA DENTAL, Tokyo, Japan) auf den dentalen Markt eingeführt (Eliezer et al. 2020). Dieses Material zeichnet sich laut Hersteller dadurch aus, dass mit nur einem Material eine Farbanpassung an nahezu jede vorhandene Zahnfarbe möglich sein soll (Literatur). Für die Praxis bietet dieses Konzept sicherlich Vorteile, so müssen beispielsweise weniger Farben „auf Vorrat“ gekauft werden. Des Weiteren entfällt der Punkt „Zahnfarbbestimmung“ im Rahmen des Behandlungsablaufes, der durchaus techniksensitiv sein kann, da schon kurze Austrocknungsphasen die Lichttransmission des Schmelzes verändern können (Brodbelt et al. 1982). Die folgende Falldarstellung illustriert die Restauration von Zahnhalsdefekten mit dem Material OMNICHROMA nach einer Nachbeobachtungszeit von 32 Monaten.
Im vorliegenden Patientenfall lagen behandlungsbedürftige Zahnhalsdefekte an den Zahnen 13-16 vor. Die Zähne 15 und 16 wurden schon einmal mittels Kompositrestaurationen versorgt, jedoch ist es hier im Laufe der Zeit zu Teilverlusten gekommen (Abb. 1). Im Juli 2018 erfolgte die restaurative Therapie der Defekte. Nach Platzierung von Retraktionsfäden (Ultrapak, Ultradent Products GmbH, Köln) zur Verdrängung der Gingiva an den Zähnen 14-16 erfolgte die Entfernung des restlichen Restaurationsmaterial an den Zähnen 15/16 sowie die Sekundärpräparation an den betreffenden Zähnen. Am Zahn 13 musste kein Retraktionsfaden gelegt werden, da es sich um einen supragingivalen, schmelzbegrenzten Defekt handelt. Anschließend erfolgte die selektive Schmelzkonditionierung mittels Phosphorsäuregel (Gel Etchant, Kerr GmbH, Biberach) und das Auftragen eines Universaladhäsivs (Scotchbond Universal, 3M Deutschland GmbH, Neuss).
Die Restaurationen wurden mittels eines Universalkomposites, welches laut Hersteller Farbanpassungseigenschaften besitzt (OMNICHROMA, TOKUYAMA DENTAL, Tokyo, Japan) angefertigt, eine Farbauswahl musste aufgrund der materialbedingten Farbanpassung nicht getroffen werden (Abb. 4/5). Abbildung 4 zeigt das Komposit in den Kavitäten 13/14 vor der Polymerisation, in Abbildung 5 ist das Komposit an den Zähnen 13/14 bereits polymerisiert, an den Zähnen 15/16 nur appliziert. Deutlich sichtbar ist vor der Polymerisation opak-weiße Farbe, die sich nach der Polymerisation an die Zahnhartsubstanz anpasst und an Transluzenz gewinnt. Die Restaurationen nach Politur zeigt Abbildung 6. Weitere Kontrollen erfolgten im Abstand von 6 Monaten (Abb. 7). Abbildung 8 zeigt die Restaurationen nach 32 Monaten, also nach mehr als 2,5 Jahren intraoraler Verweildauer. Die Farbübereinstimmung der Restaurationen mit der angrenzenden Zahnhartsubstanz ist nach wie vor sehr gut, die indirekten Restaurationen an den Zähnen 14-16 sind jetzt jedoch aufgrund insuffizienter Ränder mit Sekundärkaries für einen Austausch vorgesehen.
Die Falldarstellung zeigt die Restauration von vier Klasse V-Defekten mit einer Nachbeobachtungszeit von 32 Monaten. Die intraorale Farbstabilität bzw. Farbübereinstimmung ist in diesem Fall als sehr gut einzuschätzen. Das in diesem Falle verwendete Komposit OMNICHROMA besitzt Farbanpassungseigenschaften, die durch sphärische Füllkörper zustande kommen (Durchmesser 260 nm), die in eine transluzente Matrix eingebettet sind. Durch diese spezielle Materialkomposition kann eintreffendes Licht die Restauration komplett durchdringen und wird danach von der Kavitätenwand reflektiert und von den Füllern gestreut, wobei gleichzeitig zu dem in Zahnfarbe reflektiertem Licht rote und gelbe Anteile addiert werden (OMNICHROMA Technical Report, TOKUYAMA), was zu den beschriebenen Farbanpassungseigenschaften führt. Diesbezüglich sind bereits unterschiedliche Studien publiziert worden.
Beim Vergleich der Farbübereinstimmung an Prothesenzähnen im Farbspektrum A1-A3 in präparierten Klasse III- Kavitäten zeigten sich signifikante Unterschiede in der Farbübereinstimmung zwischen „klassischen“ Kompositen in Vita-Farben und dem Komposit mit Farbanpassungseigenschaften (de Abreu et al. 2021). Eine weitere In vitro- Studie an Seitenzähnen konnte nachweisen, dass OMNICHROMA im Bereich hellerer Farben eine bessere Farbübereinstimmung zeigte als bei dunkleren Farben (C2, D3, Iyer et al. 2021). In einer weiteren Studie konnte eine starke Abhängigkeit der Bewertung der Farbanpassungseigenschaften von der Größe der Restauration festgestellt werden: bei kompletter Schichtung eines Seitenzahnes wies OMNICHROMA die größten Farbdiskrepanzen auf, für Klasse I Kavitäten war die visuell bewertete Farbanpassung am besten (Pereira Sanchez et al. 2019).
Weiterhin besteht eine Abhängigkeit von der Kavitätetentiefe, die Farbanpassung in 3 mm tiefen Kavitäten war signifikant besser als in 2mm tiefen Kavitäten (Akgül et al. 2022). OMNICHROMA zeigte sich in einer Studie nach künstlicher Alterung farbstabil (Sensi et al. 2021), was sich auch im präsentierten Patientenfall nach einer intraoralen Verweildauer der Restaurationen von 32 Monaten bestätigte (vergl. Abb. 8).
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass OMNICHROMA eine interessante Alternative für die Praxis für kleine bis mittelgroße Kavitäten darstellt. In großen Kavitäten, besonders der Klassen III und IV kann die Farbübereinstimmung etwas kompromittiert sein, ggf. kann hier die Anwendung des OMNICHROMA BLOCKERS (TOKUYAMA DENTAL, Tokyo, Japan) Abhilfe schaffen. Der Vorteil des Materials liegt sicherlich darin, bestehende Protokolle wie die Farbnahme, die stark von dem/ der Behandler/in abhängig ist, zu simplifizieren und im Anschluss daran eine Restauration mit nur einem Material zu schichten.
Literaturliste auf Anfrage.
Autorin:
Prof. Dr. Anne-Katrin Lührs
Oberärztin an der Klinik für Zahnerhaltung, Parodontologie und Präventivzahnmedizin, Medizinische Hochschule Hannover (Direktorin: Prof. Dr. Nadine Schlüter)
Carl-Neuberg-Str. 1
30625 Hannover
Tel.: 0511 5324815
https://www.mhh.de/kliniken-der-mhh/klinik-fuer-zahnerhaltung-parodontologie-und-praeventivzahnmedizin